Atlantic City, berühmt für ihre weitläufige Strandpromenade, den Boardwalk, und opulente Hotels, wurde zu einem Zufluchtsort für diejenigen, die den restriktiven Gesetzen der Prohibition entfliehen wollten. Unter der Führung von zwielichtigen Figuren wie Schmugglerkönig Enoch Nucky Johnson, gedieh der illegale Alkoholhandel, was der Stadt Wohlstand und eine notorische Berühmtheit einbrachte.
Diese faszinierende Epoche von Atlantic City mit ihren schillernden Charakteren wird in der Fernsehserie Boardwalk Empire [Link auf Englisch] lebendig dargestellt. Doch was ist in Atlantic City wirklich während der Prohibition passiert? In dieser Artikelserie tauchen wir tiefer in die spannende Geschichte der Prohibition in den USA und in die Geschichte von The World’s Playgroundein, wie die Glücksspiel-Metropole auch genannt wird.
Schlüsselmoment: Der Volstead Act (1919)
Der Volstead Act, offiziell als National Prohibition Act bekannt, legte den gesetzlichen Rahmen für die Durchsetzung der Prohibition. Er wurde am 28. Oktober 1919 vom US-Kongress verabschiedet. Benannt nach dem Kongressabgeordneten Andrew Volstead, dem Vorsitzenden des Justizausschusses des Repräsentantenhauses, der den Gesetzentwurf maßgeblich vorantrieb, diente der Volstead Act dazu, den 18. Verfassungszusatz in die Tat umzusetzen. Dieser verbot die Herstellung, den Verkauf und den Transport von berauschenden Likören, ließ jedoch Lücken in Bezug auf den Konsum und den Besitz von Alkohol für den persönlichen Gebrauch.
Der Volstead Act definierte berauschende Liköre als jedes Getränk mit mehr als 0,5 % Alkohol, schloss aber religiöse und medizinische Ausnahmen ein. Dies sorgte im Laufe der Prohibitionszeit für erhebliche Schlupflöcher, die von Kriminellen ausgenutzt wurden. So stieg zum Beispiel der Verkauf von Traubensaft, der zu Hause zu Wein fermentiert werden konnte, sprunghaft an, und die Zahl der Rezepte für medizinischen Alkohol wuchs exponentiell.
Der Act umfasste auch die Schaffung einer speziellen Einheit innerhalb des Finanzministeriums, bekannt als Bureau of Prohibition. Trotzdem war die Durchsetzung von Anfang an problematisch. Mangelnde Finanzen, Korruption innerhalb der Behörden und die weit verbreitete öffentliche Missbilligung der Prohibition führten dazu, dass der Volstead Act weitgehend ineffektiv war und die illegale Herstellung und den Vertrieb von Alkohol nicht verhindern konnte.
Darüber hinaus führte die Verabschiedung des Volstead Act zu einer sofortigen und dramatischen Stärkung des organisierten Verbrechens, da Gangster wie Al Capone ihr Imperium auf dem illegalen Alkoholmarkt aufbauten. Speakeasies, illegale Bars, die Alkohol ausschenkten, tauchten in Städten im ganzen Land auf, und der Schmuggel von Alkohol, bekannt als Bootlegging, wurden zu lukrativen Unternehmen für viele Gangster.
Atlantic City während der Prohibition
Die Einführung der Prohibition in den Vereinigten Staaten war das Ergebnis einer jahrzehntelangen Bewegung, angeführt von sogenannten Temperenz- und Abstinenzler-Gruppen, die den Alkoholkonsum als Ursache für soziale Probleme wie häusliche Gewalt, Kriminalität und Sittenverfall ansahen. Getrieben von einer Mischung aus moralischen, religiösen und sozialen Reformbestrebungen, gewann die Bewegung schließlich genügend politischen Einfluss, um die Verfassungsänderung durchzusetzen.
Der 18. Verfassungszusatz, der im Januar 1919 ratifiziert wurde und im Januar 1920 in Kraft trat, verbot die Herstellung, den Verkauf und den Transport von Alkohol. Diese radikale gesetzliche Maßnahme zielte darauf ab, den Alkoholkonsum in den USA komplett zu eliminieren und damit eine gesündere, moralischere Gesellschaft zu schaffen. Letzten Endes zog diese aber unerwartete und unerwünschte Konsequenzen nach sich.
Während der Prohibition verwandelte sich Atlantic City von einem Ferienort an der Ostküste der Vereinigten Staaten in ein Epizentrum der Unterweltaktivitäten. Offiziell galt zwar das strikte Alkoholverbot, doch in den Hinterzimmern, Hotels und entlang des berühmten Boardwalk von Atlantic City florierte das Geschäft mit dem Alkohol wie nie zuvor.
Dies führte in den 1920er-Jahren zu einem wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt. Unter der Leitung von Enoch Nucky Johnson, der als politischer Machthaber der Stadt fungierte, wurden in Atlantic City Alkoholschmuggel und Glücksspiel zu einer lukrativen Einnahmequelle. Johnsons geschickte Manöver im Graubereich der Legalität ermöglichten es Hotels und Nachtclubs, weiterhin Alkohol ausschenkten, und dies zog Touristen aus dem ganzen Land nach Atlantic City.
“Wir haben Whisky, Wein, Frauen, Musik und Spielautomaten. Das will ich nicht leugnen und ich werde mich auch nicht dafür entschuldigen. Wenn die Mehrheit des Volkes sie nicht wollte, wären sie nicht rentabel und würden nicht existieren. Die Tatsache, dass es sie gibt, beweist für mich, dass die Menschen sie wollen.”Enoch “Nucky” Johnson, einflussreicher Politiker in Atlantic City zu Zeiten der Prohibition.
In den Straßen Atlantic Citys wurden zu dieser Zeit starke Kontraste deutlich. Tagsüber präsentierte sich Atlantic City als familienfreundliches Urlaubsziel mit Stränden, Piers und anderen typischen Attraktionen, wie man sie in vielen Badeorten zu dieser Zeit fand. Nach Einbruch der Nacht zeigte die Stadt aber ihr anderes Gesicht. Casinos, Speakeasies und Jazzclubs strotzten nur so vor Leben. Musik und illegal ausgeschenkter Alkohol waren allgegenwärtig. Neben Besuchern und Anwohnern der Stadt zog dies auch Politiker, Schauspieler und berüchtigte Gangster in die Stadt.
So führte die Prohibition in Atlantic City zu einer paradoxen Situation: Gesetzlich verankert zur Förderung von Moral und Gesundheit stärkte sie in Atlantic City kriminelle Banden und förderte die Korruption. Gesetze wurden als Richtlinien angesehen und nicht als feste Regeln betrachtet. Die Polizei wurde oft durch Bestechung und den Einfluss von Politikern in Zaum gehalten und blieb größtenteils untätig.
Enoch Nucky Johnson: Der wahre Nucky
Eine der Schlüsselfiguren im Atlantic City der Prohibitionszeit war Enoch Lewis Nucky Johnson, der in der Serie Boardwalk Empire Nucky Thompson heißt. Der wahre Nucky wurde am 20. Januar 1883 in Galloway Township, New Jersey, geboren und wuchs in einer politisch aktiven Familie auf. Sein Vater diente als Sheriff von Atlantic County – eine Position, die Nucky später selbst innehaben sollte. Johnsons politischer Aufstieg begann früh, und er wurde schon in jungen Jahren Teil der in Atlantic City und Atlantic County sehr mächtigen Republikaner.
Schon mit 26 Jahren wurde Nucky zum Sekretär des Exekutivkomitees der Republikanischen Partei in Atlantic City ernannt. Das ermöglichte es Johnson, die lokale Politik und Wirtschaft zu kontrollieren. Er nutzte diese Gelegenheit, um ein umfangreiches Netzwerk illegaler Aktivitäten aufzubauen, darunter Alkoholschmuggel, Glücksspiel und Korruption. Das wurde ihm beinahe zum Verhängnis, als der damalige Gouverneur von New Jersey und spätere 28. US-Präsident Woodrow Wilson der Korruption in Atlantic City entgegentrat und mehr als hundert einflussreiche Menschen, darunter auch Nucky Johnson, anklagen ließ. Zwar musste dieser deshalb von seiner Stelle als County Sheriff, die er damals noch innehatte, zurücktreten, im Großen und Ganzen verlief die Klage in Johnsons Fall aber im Sande. Zu einer Verurteilung kam es nie.
In den folgenden Jahren vertiefte Johnson seine Verbindungen in die Politik. Nur kurze Zeit nachdem die Klage wegen Korruption fallengelassen wurde, wurde er zum County-Schatzmeister von Atlantic County. 1916 beeinflusste er die Wahl von Walter Evans Edge zum Gouverneur von New Jersey. Dieser ernannte Johnson wiederum 1918 zum Gerichtsschreiber des Obersten Gerichtshofs des Staates.
Johnson war bekannt für seinen extravaganten Lebensstil – inklusive teurer Anzüge, extravaganter Partys und teurer Reisen. Nucky war bei der Bevölkerung Atlantic Citys zwar prinzipiell beliebt, da er dank der Missachtung der Prohibition für Tourismus, Wirtschaftswachstum und Jobs sorgte. Allerdings hatte er auch den Ruf inne, skrupellos zu sein und vor Methoden jenseits der Legalität nicht zurückzuschrecken. Im Gegensatz zu seinem Serien-Pendant Nucky Thompson, der in Boardwalk Empire als gewalttätiger Gangsterboss dargestellt wird, war der echte Nucky Johnson dennoch eher ein politischer Strippenzieher und Geschäftsmann als ein brutaler Mafioso. Obwohl Johnson zweifellos in kriminelle Aktivitäten verwickelt war, bevorzugte er es, durch politische Manöver und Bestechung zu agieren anstatt durch Gewalt. Seine Macht beruhte auf seinem politischen Einfluss und seinen Verbindungen, nicht auf Angst und Einschüchterung.
Mit dem Ende der Prohibition im Jahre 1933 schwand auch Johnsons Macht mehr und mehr, bis er 1939 wegen Steuerhinterziehung angeklagt und schließlich 1941 zu zehn Jahren Haft und einer für damalige Verhältnisse hohen Geldstrafe von 20.000 US-Dollar verurteilt wurde. 1945 wurde er auf Bewährung entlassen und verbrachte den Rest seines Lebens recht unauffällig in Atlantic City. Johnson starb am 9. Dezember 1968 im Alter von 85 Jahren.
“Johnson war ein geborener Herrscher: Er besaß Flair und Extravaganz, war politisch amoralisch und rücksichtslos, hatte ein fotografisches Gedächtnis für Gesichter und Namen und eine natürliche Führungsgabe […] [Johnson] hatte den Ruf, ein Grabenkämpfer zu sein, ein harter Trinker, ein herkulischer Liebhaber, ein Feinschmecker, ein genusssüchtiger Verehrer von Luxus und allen guten Dingen des Lebens.”–The Press of Atlantic City, Zeitung, The Press of Atlantic City
Kriminalität und Korruption in Atlantic City
Personen wie Nucky Johnson und andere Politiker sowie Mafiosi nutzten den fruchtbaren Boden, den die Prohibition in Atlantic City schuf, für kriminelle Aktivitäten. Unter der Führung von Johnson wurden in der Stadt illegale Spirituosen geschmuggelt, hergestellt und in Speakeasies verkauft, was erhebliche Profite einbrachte. Weit verbreitete Korruption, die durch Johnsons Verbindungen mit Politik, Gewerkschaften und der Polizei ermöglicht wurde, sorgte dafür, dass solchen Tätigkeiten kein Einhalt geboten wurde.
Politische Verstrickungen waren in Atlantic City generell besonders ausgeprägt. Zahlreiche lokale Politiker, Polizeikräfte und sogar Richter waren in die kriminellen Machenschaften verwickelt oder duldeten diese zumindest. Bestechung und Erpressung waren an der Tagesordnung, und Nucky Johnson nutzte sein politisches Netzwerk geschickt, um seinen Einfluss auszuweiten und seine illegalen Unternehmungen zu schützen. Dies führte zu einem System, in dem die Grenzen zwischen Legalität und Kriminalität verschwammen und die Durchsetzung des Gesetzes oft durch persönliche und finanzielle Interessen untergraben wurde.
Natürlich blieben auch soziale Auswirkungen nicht aus. Zwar sorgte die organisierte Kriminalität für einen wirtschaftlichen Aufschwung von Atlantic City und schuf zahlreiche Jobs in der Tourismus- und Unterhaltungsindustrie, förderte andererseits aber auch ein Klima der Gesetzlosigkeit und des moralischen Verfalls. Die allgegenwärtige Korruption unterminierte das Vertrauen in öffentliche Institutionen und führte zu Zynismus in der Bevölkerung gegenüber dem Rechtsstaat.
Im Atlantic City der 1920er- und 1930er-Jahre lagen Licht und Schatten nah beieinander. Aufbruchstimmung und Entwicklung wurden begleitet von Korruption und Kriminalität. In Teil 2 unserer Artikelreihe wenden wir uns den Schlüsselfiguren und Ereignissen dieser turbulenten Zeit zu. Wir werden die Realitäten hinter einigen legendären Gangstern betrachten und die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen beleuchten, die die Prohibitionszeit prägten und deren Echo noch heute in der amerikanischen Kultur nachhallt.