Ballermann Bet: Mallorca etabliert zur WM 140 „Spielsalons“
Sportwettautomaten und Spielhallen, Spielhallen und Sportwettautomaten – angesichts der bevorstehenden Fußball-WM rüstet sich die spanische Mittelmeerinsel zum Wett-Exzess. Bis zum Anstoß werden über 140 Spielhallen mit Betting-Terminals versehen. Der ‚Businessplan‘ bringt den ansässigen Spielsuchtverband buchstäblich auf die Palme.
Noch bis August 2017 durften die Spielhallenbetreiber Mallorcas überhaupt keine Wetten auf etwaige Sportereignisse anbieten – wer Sportwetten abschließen wollte, dem blieb dafür nur das Internet. Mittlerweile gehört jener Glücksspielzweig aber zum festen Betriebskern für über 50 mallorquinische Spielhallen, von denen sich die meisten in Palma befinden. Die größte Stadt der Insel zählt über 400 Tsd. Einwohner.
Auch das Casino de Mallorca plant hier dieser Tage ein Sportwettprodukt. Zudem legen vier ansässige, auf Sportwetten spezialisierte Büros die Quoten fest. Die eigentlichen Buchmacher auf Mallorca sind jedoch die virtuellen Wett-Terminals. Mit Blick auf die bevorstehende Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland, werden die Apparate allem Anschein nach zu einem neuen Tourismussektor ausgebaut.
Nach Angaben des balearischen Spiel- und Wettverbandes Sareiba – ein Mitinitiator des Procederes – wird sich die Anzahl an Sportwetthallen, bei Anstoß (14.6) fast verdreifacht haben. Von 50 auf 140 Spielhallen, konsequenterweise bis zum Anschlag mit Betting-Terminals bestückt. Folglich avancieren die Spielunken (quasi) zu ‘Mega-Park‘-Wettbüros in Miniaturformat.
La vida loca in der Spielo
Miquel Àngel Riera, Vorsitzender des balearischen Spiel- und Wettverbandes Sareiba, gehört zu den Fürsprechern der bedenklichen ‘Kampagne‘. Er selbst sei von bunten Automaten und Sportwetten nie wirklich angetan gewesen, aber dennoch: „Die Leute sollten mal in den Spielhallen vorbeischauen, das sind bezaubernde Lokale“, sagt der Lobbyist und ergänzt, dass Mallorcas Spielhallen vorwiegend unter kulturellen Aspekten beurteilt werden müssten.
„Die Einrichtung eines Spielsalons kostet heutzutage 500.000 Euro. Das sind saubere Geschäfte, Drogen gibt es nicht”, so der Vorsitzende, der hier ironisch, wenn nicht gar zynisch daherkommt. Er beschreibt weiterhin ein Freizeitambiente, das zum Kaffeeklatsch mit Freunden nach der Arbeit, in Verbindung mit etwaigen Spielchen einlädt.
Spielsuchtgefahr gehe für ihn vor allem von Internet Gambling im Kontext von sozialer Vereinsamung aus: „Es gibt zu Hause keine Kontrolle. Die Einsamkeit führt zur Sucht“, sagt Riera. Dagegen würde manisches Verhalten in der Spielhalle ungleich auffallen und das Personal entsprechend eingreifen.
„Wir wollen lieber Leute, die jeden Tag wenig spielen, als Süchtige, die an einem Tag ihr ganzes Geld verspielen”, erschließt sich Riera die Philosophie hinter den Spielhallen.
Auch das Flair spanischer Lebensart solle vermittelt werde. Ein tatsächlicher Besuch jener vermeintlichen „Salons“, vermittelt jedoch eher typisches Spielotheken-Flair: Vorwiegend junge Männer vor brummenden Automaten – starre Blicke und Münz-Geklimper. Alles ist vollbesetzt, so heißt es, in einem Erfahrungsbericht der Mallorca Zeitung.
Business kosten Buben
Antònia Miralles von der Spielsuchtbetreuung Asociación Juguesca (z. dt. übertragen: „Spielaufsicht“), kämpft entgegen Riera seit Jahren gegen die Ausbreitung von Glückspielen und fordert eine konsequente Regulierung des balearischen Gambling-Markts. Die Psychologin weiß: Die Gefahren der Branche wirken sich zumeist verstärkt auf Kinder, Jugendliche und Heranwachsende aus.
Wie eine 2016 veröffentlichte Studie der Fundación Codere und der Universität Carlos III in Madrid bestätigt, gehören Sportwetten indessen zum Alltag vieler 18-25jähriger, vorwiegend männlicher Spanier. Frauen zocken generell weniger. Auf 10 Spielsüchtige kommen laut Studie im Schnitt nur zwei Frauen. Jeder vierte unter den Befragten hatte sich 2016 bereits an Glücksspielen beteiligt. Miralles weist darauf hin, dass heute noch „ein paar Prozente draufgelegt“ werden müssten.
Eine Hauptursache für das Wachstum der Branche sieht Miralles in der medialen Omnipräsenz der Anbieter begründet. Die Slogans der Reklamen seien zudem ohnehin fraglich:
„Si lo sabes y no apuestas, duele” – Wenn du das Ergebnis wusstest und nicht gewettet hast, tut es weh.“ Der Spot liefe auch tagsüber, wenn Minderjährige vorm TV sitzen, kritisiert die Suchttherapeutin.
Ein weiteres Fiasko sei der politische Blickwinkel Mallorcas auf das Phänomen Spielsucht: „Das Problem der Spielsucht ist nicht abhängig von der Anzahl der Glücksspielautomaten”, urteile jüngst die verantwortliche Generaldirektorin Pilar Sansó, infolge eines Gesuchs der Asociación Juguesca zur Einstellung WM-Pläne.
Betrunkene (spielsüchtige) Fußballfans
Mallorcas ‚Politik‘ scheint die eigene Bevölkerung plus Gäste, im Rahmen eines globalen Megaevents in den Wett-Wahn stürzen zu wollen. In manchen Spielhallen liefe bereits jetzt schon Dauerschleife-Fußball, heißt es, dazu fließe Bier – und zwischendurch: Schlager. Natürlich: Spielo-Wett-Bier-Hallen – womit ‘Malle’ definitiv ein weiteres, höchstzweifelhaftes Markenzeichen etablieren könnte.
Aber – will Mallorca das überhaupt? Auf Grund überwiegend negativer Presse – das heißt, um Imagepflege zu betreiben und den Massentourismus einzudämmen – hatte man erst 2016 die öffentlichen Saufgelage verboten und mit Bußgeldern bis zu 3000 € unter Strafe gestellt. Auch der Verkauf alkoholischer Getränke nach Mitternacht wurde eingestellt. Die Folge: Imageschaden.
Angesichts aktueller Entwicklungen ließe sich darüber mutmaßen, ob ‘das 17. Bundesland‘ nicht versucht sich im Kielwasser des globalen Glücksspielbooms einen Fisch für sein verlorenes Stück Kuchen zu angeln. In diesem Fall sollte der Ballermann besser nicht vom Regen in die Traufe fallen. Am Ende stünden sich womöglich betrunkene Fußballfans und spielsüchtige, betrunkene Fußballfans gegenüber.