Exit vor dem Brexit? Bet365 zieht nach Malta
In Erwartung des EU-Austritts Großbritanniens 2019 scheint der britische Sportwettkönig Bet365 seine Offshore-Büros von Gibraltar nach Malta zu verlagern. Der vermeintliche Präventionsakt könnte womöglich einen Trend etablieren, doch spiele der ‚Brexit‘ diesbezüglich kaum eine Rolle, wie das Unternehmen mitteilt.
Aktuell bestätigt der größte britische Buchmacher Bet365 einen neuen Bürokomplex im Ferienort Sliema an der Nordostküste des britischen Überseegebiets Malta zu beziehen. Hierfür habe die privatgeführte Unternehmensgruppe aus dem englischen Stoke-on-Trent, wie es heißt, ein Kaufversprechen über 70 Mio. Euro abgegeben, das demzufolge unmittelbar nach dem offiziellen Brexit am 29.März nächsten Jahres eingelöst werden soll.
Laut einem Artikel der Times of Malta seien inzwischen bereits 1.000 Mitarbeiter umquartiert worden, was Bet365 allerdings entschieden von sich weist:
Zwar besitze das Unternehmen derzeitig eine Sportwettlizenz der Malta Gaming Authority (MGA) – auch seien unterdessen bereits etwaige Abteilungen des Bet365-Marketingapparats in Sliema ansässig – doch entgegen aller Vermutungen, spiele der EU-Austritt Großbritanniens hierbei kaum eine Rolle. Bei dem sogenannten Umzug handle es sich ohnehin viel eher um eine reguläre Expansion, wie ein Bet365-Pressesprecher erklärt:
„Wir nehmen zusätzliche Flächen und suchen nach zusätzlichen Mitarbeitern in Malta, um unseren Online-Betrieb zu unterstützen. Außerdem werden wir dort unsere Infrastruktur ausbauen. Es ist jedoch anzumerken, dass die Zahl der Personen, die nach Malta umgesiedelt werden, völlig ungenau ist.“
Für den neuen Standort Malta seien demnach lediglich 500 Mitarbeiter vorgesehen, darüber hinaus wäre „das Ausmaß“ des angeblichen Umzugs medial „überzogen“ worden, führt der Sprecher fort. Ungeachtet aller Pläne für Malta werde Bet365 auch weiterhin seine „starke Präsenz in Gibraltar beibehalten“. Die Landzunge an der Südküste Spaniens, auf der ein 426 Meter hoher Kalksteinmonolith emporragt, sei für das Unternehmen nach wie vor das „wichtigste operative Drehkreuz“, heißt es schlussendlich.
Die Gibraltar-Situation
Auch wenn sich Gibraltars Glücksspielminister Albert Isola optimistisch hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung im Zuge des Brexit zeigt, beurteilen Europas hiesige Medienanstalten, Juristen, sowie die Branche selbst, die Zukunft des bis dato als ‚Online-Las-Vegas‘ berüchtigten ‚Rocks‘ eher fraglich:
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hatte Großbritanniens Schirmherrschaft über Gibraltar bereits vor Beginn der Brexit-Verhandlungen 2017 mit Nachdruck bestärkt – dienstleistungsrechtlich sind das Vereinigte Königreich und Gibraltar folglich innerhalb der EU als Einheit zu bewerten.
Zurzeit zahlen die auf Gibraltar ansässigen Dienstleister – die vorwiegend dem Glücksspiel- und Finanzsektor entstammen – zwar immer noch lediglich 1% Steuern, doch gerade angesichts der aktuell geplanten Erhöhung der UK-Online-Glücksspielsteuer von 15 auf 20%, könnte sich die Lage infolge des Brexits 2019 zuspitzen.
Das Branchenmagazin EGR verurteilt daher die Bet365-Strategie und wirft dem Unternehmen Berechnung vor: Der Schritt sei demnach genau geplant, um ebendiese möglichen Auswirkungen des Brexits zu umgehen. Laut EGR würden indessen auch andere Firmen, darunter 888 Holdings und Paddy Power Betfair, ähnliche Vorbereitungen treffen. In seinem jährlichen „Power 50“-Ranking der mächtigsten Online-Glücksspielbetreiber Großbritanniens, listete EGR Bet365 zuletzt acht Mal in Folge auf Platz Eins. Das im Jahr 2000 durch Denise Coates gegründete Unternehmen gehört zu den größten Glücksspielunternehmen der Welt, mit über 23 Mio. Kunden und über 3500 Mitarbeitern. Denise Coates ist heute Großbritanniens bestbezahlter CEO.
Ob Expansion oder Umzug – derartige Maßnahmen eines derartigen Big Players in Anbetracht einer derartigen politischen Extremsituation wie Brexit haben Auswirkungen und könnten gar durchaus die besten Pferde im Stall scheu machen. Der seit 2013 amtierende Glücksspielminister Albert Isola fürchtet sich davor allerdings nicht, im Gegenteil:
„Wir verstehen, dass Unternehmen Sicherheit brauchen und Risiken handhaben müssen. Was aber bleibt, ist, dass Gibraltar weiterhin die Wahl der Wahl für die renommiertesten Glücksspielunternehmen der Welt ist. Der Brexit wird das nicht ändern.“
Folglich heißt es: Abwarten. Sollten Gibraltars britische Dienstleister tatsächlich nach dem offiziellen Brexit 2019 mit einer Online-Glücksspielsteuer von 20% belastet werden, wäre das für den Felsen ein absolutes Fiasko: Die Gambling-Branche generiert hier inzwischen über 50% des BIPs.