Geschichte des Glücksspiels in Deutschland – Teil 2: Wahrscheinlichkeitsrechnung, Lotterien und erste Spielbanken
Die Geschichte des Glücksspiels in Deutschland nahm nach dem Mittelalter mit dem Beginn der Neuzeit an Fahrt auf. In diesem zweiten Teil unserer Serie zur deutschen Glücksspielgeschichte werfen wir einen Blick auf die Entwicklung der Wahrscheinlichkeitsrechnung, die Entstehung von Lotterien und den Bau prunkvoller Casinos.
In der frühen Neuzeit wurde das Glücksspiel salonfähig
In unserem ersten Teil zur Glücksspielgeschichte in der Antike und im Mittelalter, haben wir erklärt, dass sowohl die Kirche als auch die Königshäuser das Glücksspiel oft schwer verurteilt und unter Strafe gestellt haben.
In der frühen Neuzeit scheint es nicht mehr grundsätzlich illegal gewesen zu sein, bestimmten Spielen nachzugehen. Stattdessen war vermutlich nur das exzessive Spielen verpönt oder sogar verboten.
Möglicherweise haben die Staatsoberhäupter im Glücksspiel auch eine Chance gesehen haben, die Finanzen des Adels aufzubessern. Bereits im 15. Jahrhundert soll es im heutigen Deutschland öffentliche Verlosungen gegeben haben, bei denen Einnahmen für die Fürsten und Königshäuser generiert wurden.
Lotterien werden aus Italien und Holland importiert
Das Konzept der Verlosungen, deren Erlöse für den Bau öffentlicher Gebäude oder für soziale Zwecke eingesetzt wurden, stammt vermutlich aus Holland und wurde später in Deutschland übernommen. Zunächst konnte man bei den regelmäßig stattfindenden Ziehungen nur Sachpreise gewinnen. Später waren auch Geldgewinne üblich.
Die heute bekannten Klassenlotterien und das Prinzip des Zahlenlottos stammen vermutlich aus Italien. Beim sogenannten Lotto di Genova (Lotto aus Genua) sollen die Ratsmitglieder per Losentscheid aus einer Vorabauswahl gezogen worden sein. Das System wurde dann vermutlich später adaptiert, sodass Zahlen statt Namen verwendet wurden, was den Grundstein für heute bekannte Lotteriespiele legte.
Die Mathematik hinter den Spielen wird ergründet
Der französische Schriftsteller und leidenschaftliche Spieler Chevalier de Méré (bürgerlicher Name: Antoine Gombaud) gilt als einer der Vordenker auf dem Gebiet der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Er war ein Zeitgenosse der Mathematiker Blaise Pascal, Jakob Bernoulli und Pierre de Fermat, mit denen er korrespondiert haben soll.
De Méré ging es wie vielen anderen Spielern – er wollte seine Gewinnchancen erhöhen und bat daher Mathematiker um Hilfe. Zu dieser Zeit waren nicht nur Kartenspiele popular, sondern auch Würfelspiele und Roulette. Viele Spieler waren der festen Überzeugung, dass sie ihre Gewinnchancen durch Ausnutzung mathematischer Strategien erhöhen könnten.
Die mathematische Forschung auf dem Gebiet der Wahrscheinlichkeitsrechnung führte letztlich dazu, dass die Gewinnchancen bei den Spielen korrekt ermittelt werden konnten. Der Hausvorteil ließ sich rechnerisch bestimmen, was die Grundlage für die Profitabilität der Glücksspiele war. Alle modernen Bankhalterspiele wären ohne die Wahrscheinlichkeitsrechnung undenkbar.
Die ersten Spielbanken öffnen ihre Pforten
Italien war nicht nur das Mutterland der modernen Lotterie. In Venedig wurde 1638 mit dem Ridotto die erste Spielbank der Welt eröffnet. Bis es ein Casino auf deutschem Boden gab, sollten aber noch weitere 80 Jahre vergehen.
Es ist belegt, dass vor über 300 Jahren die ersten deutschen Spielbanken ihre Pforten öffneten. Die Spielbank in Bad Ems aus dem Jahr 1720 gilt als älteste ihrer Art. Noch heute kann in Bad Ems gespielt werden. Das altehrwürdige Gebäude versprüht eine Menge Charme und erzählt seine ganz eigene Geschichte.
Ein Dämpfer in der Erfolgsgeschichte der deutschen Spielbanken war jedoch das Deutsche Kaiserreich, mit dessen Gründung im Jahr 1871 die vorübergehende Schließung der Glücksspielstätten einherging. Es wurde angeordnet, dass bis 1872 alle Spielbanken in Deutschland schließen mussten. Im Königreich Preußen waren schon Jahre zuvor erste Schließungen erwirkt worden, die auch in den annektierten Ländern bis 1872 durchgesetzt werden mussten.
Erst die Nationalsozialisten eröffneten 1933 nach ihrer Machtergreifung wieder die Spielbanken, weil sie darin eine gute Einnahmequelle zur Finanzierung ihrer Vorhaben sahen. Die über 60 Jahre der Schließung hatten den Markt aber drastisch verändert, sodass sich inzwischen Monte Carlo (Monaco) als Glücksspielmetropole Europas etabliert hatte.
Pferdewetten und Spielautomaten als Alternativen zu Casinos
Während der Zeit, in der in Deutschland das Glücksspiel verboten war, wurde nach Alternativen gesucht. Da Wetten anfangs noch nicht als Glücksspiel galten, verlagerte sich das Interesse auf dieses Angebot.
Pferdewetten auf Galopprennen, die ursprünglich in England populär wurden, gab es in Deutschland vermutlich erstmals im Jahr 1810. 1822 eröffnete in Bad Doberan die erste speziell für Galopprennen ausgestattete Rennbahn. Nach der Schließung der Spielbanken ging das Wettgeschäft noch einige Zeit weiter. Im Jahr 1881 wurden Pferdewetten jedoch vom Reichsgericht verboten, da diese nun doch als Glücksspiel eingestuft wurden.
Um die Jahrhundertwende herum wurden die Vorläufer der ersten Spielautomaten entwickelt. Die Liberty Bell aus dem Jahr 1899 gilt als erster Spielautomat mit Walzen, [Link auf Englisch] wurde aber nur in Amerika eingesetzt und dort auch schnell verboten.
Es dauerte aber nicht lange, bis die ersten Hersteller Geräte für den europäischen Markt entwickelten. In Deutschland durften Glücksspielautomaten jedoch nicht betrieben werden. Daher wurden die Spielautomaten so modifiziert, dass sie als Geschicklichkeitsspiel klassifiziert werden konnten. Statt sich auf den Zufall zu verlassen, konnte der Spieler beispielsweise die Walzen manuell stoppen.
Auch der berühmte Bajazzo-Automat stand seit seiner Erfindung im Jahr 1904 immer häufiger in gastronomischen Einrichtungen. Bei diesem Spiel muss der Spieler eine Kugel durch einen Parcours aus Nägeln lenken. Im Rahmen einer Untersuchung im Jahr 1927, die als Bajazzo-Prozess in die deutsche Glücksspielgeschichte eingehen sollte, wurde unter anderem durch den italienischen Jongleur Enrico Rastelli bestätigt, dass es sich beim Bajazzo um ein Geschicklichkeitsspiel handelte.
Mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus in Deutschland wurden die Spielbanken zwar wieder gestattet, doch das Automatenspiel wurde strenger reguliert. Die Produktion von Spielautomaten kam durch den Fokus auf die Rüstungsindustrie nahezu komplett zum Erliegen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg geht die Glücksspielgeschichte weiter…
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erlebte das Glücksspiel starke Veränderungen. Neue Gesetze wurden erlassen und das Geschäft mit Sportwetten begann langsam aufzublühen.
Wie sich das Glücksspiel im 20. Jahrhundert entwickelte und letztlich bei der breiten Masse der Bevölkerung beliebt wurde, schauen wir uns im dritten Teil unserer Serie an.