Großbritannien: Ärzte sollen Patienten mit psychischen Erkrankungen zu ihrem Glücksspiel-Verhalten befragen
Neue Richtlinien des britischen National Institute for Health and Excellence geben vor, dass Ärzte ihre Patienten mit mentalen Problemen zu ihrem Spielverhalten befragen sollen. Glücksspiel soll demnach mit derselben Sorgfalt wie der Konsum von Alkohol oder Drogen betrachtet werden. Dadurch soll es erleichtert werden, Spielsucht zu erkennen und den Betroffenen eine entsprechende Therapie anzubieten.
Fragebogen hilft bei Einschätzung des Spielverhaltens
Patienten, die einen Arzt wegen mentaler Probleme aufsuchen, sollten laut den neuen Richtlinien des National Institute for Health and Excellence (NICE) [Link auf Englisch] auch nach ihrem Spielverhalten gefragt werden. Wer unter Depressionen, Angstzuständen oder Selbstmordgedanken leide, werde derzeit zu seinem Alkohol- und Drogenkonsum befragt – in Zukunft soll auch das Thema Glücksspiel angesprochen werden.
Die Patienten sollen demnach einen Fragebogen [Link auf Englisch] ausfüllen, der auf der Website von NICE zu finden sei. Dieser frage beispielsweise ab, ob die Person sich von anderen Geld geliehen habe, um damit an Glücksspiel teilzunehmen. Weitere Themen seien die Auswirkungen des eigenen Spielverhaltens auf die Familie und mögliche Schuldgefühle.
“Schädliches Glücksspiel verursacht bei allen, die davon betroffen sind, großes Leid. Wir wollen, dass hilfsbedürftige oder gefährdete Menschen früher erkannt werden und angemessene Hilfe erhalten.”– Prof. Jonathan Benger, Interimsdirektor für die Richtlinien, National Institute for Health and Excellence, National Institute for Health and Excellence
Am Ende des Fragebogens werde auf Grundlage der Antworten ein Score ermittelt. Beträgt dieser mehr als 8, sei das ein Indikator dafür, dass der Betroffene eine Behandlung benötige. Der behandelnde Arzt soll laut den Richtlinien dann mit dem Patienten diskutieren, ob eine Therapie oder die Eintragung in ein Selbstausschlussregister sinnvoll seien.
Geschichte eines Betroffenen zeigt Notwendigkeit der neuen Richtlinien
David Quinti soll über acht Jahre lang an Spielsucht gelitten haben. Seine Geschichte zeigt, warum die neuen Richtlinien von NICE dringend benötigt werden. Quinti soll fast den ganzen Tag und sogar während der Arbeit gespielt haben.
Zunächst habe er nur auf Fußball gewettet und sei dann auf Online-Roulette umgestiegen. Seine Einsätze seien immer größer geworden und er habe viel Geld verloren. Das habe bei ihm zu einer Depression geführt. Vor seiner Familie und Freunden habe er das Problem geheimgehalten.
Als er seinen Arzt aufsuchte, habe dieser sich jedoch nur auf Quintis Alkoholkonsum fokussiert, obwohl er erwähnt habe, dass er zu viel spiele. Ihm seien Antidepressiva verschrieben worden und das eigentliche Problem, die Spielsucht, sei nicht behandelt worden. Dies ist nur einer von vielen Fällen, in denen die neuen Richtlinien zu einer deutlich früheren Behandlung und somit weniger Leid für die Betroffenen führen könnten.
Das Problem der Spielsucht in Großbritannien
Eine Studie der britischen Regierung [Link auf Englisch] habe ergeben, dass rund 300.000 Menschen in Großbritannien ein Glücksspiel-Spielproblem hätten. Nicht nur die Betroffenen selbst würden darunter leiden, sondern auch deren Angehörige: Spielsucht beeinflusse demnach das Leben von insgesamt über 3,8 Millionen Menschen.
In diesem Zusammenhang sei zudem festgestellt worden, dass Männer deutlich häufiger an Spielsucht erkranken würden als Frauen. 15 % aller Männer sollen an Internet-Glücksspiel teilnehmen, bei den Frauen sollen es lediglich 4 % sein. Beim Online-Glücksspiel soll es einen besonders großen Anstieg von Problemspielern geben.
“Spielsucht ist eine grausame Krankheit, die das Leben von Menschen zerstört, und der NHS (National Health Service) trägt bereits seinen Teil zu seiner Behandlung bei, indem er in den letzten Monaten vier neue Spezialkliniken eröffnet hat und drei weitere später in diesem Jahr eröffnen werden. Wenn Sie also Probleme haben, fragen Sie bitte nach Hilfe.”– Claire Murdoch, Geschäftsführerin für mentale Gesundheit, National Health Service, National Institute for Health and Excellence
Die neuen Richtlinien von NICE definieren problematisches Glücksspiel als solches, das zu Schäden führe. Dazu zählten etwa psychische Erkrankungen, familiäre oder monetäre Konsequenzen. Derzeit gebe es 12 Kliniken für die Behandlung von Glücksspiel – drei weitere sollen in den kommenden Monaten eröffnet werden.
Es bleibt abzuwarten, ob die neuen Richtlinien dazu führen, dass bei mehr Menschen eine Spielsucht frühzeitig erkannt und behandelt wird.