Psychologie: ADHS könnte Spielsucht begünstigen
Nach einer Metaanalyse aus der italienischen Fachzeitschrift für Psychologie, State of Mind, könnte es einen Zusammenhang zwischen der Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung, kurz ADHS, und Spielsucht-Erkrankungen geben. Wer unter ADHS leidet, ist laut Studienergebnissen möglicherweise anfälliger dafür, in die Glücksspielfalle zu geraten. Die italienische klinische Psychologin Seila Mainardis kommt zu dem Schluss, dass diverse ADHS-Symptome die Entwicklung einer Suchterkrankung, spezieller der Spielsucht, begünstigen könnten, da zwischen beidem eine auffällige Korrelation besteht, aber auch eine potentielle Kausalität.
Die ADHS-Symptome im Überblick
Eines der Hauptsymptome von ADHS ist das Aufmerksamkeitsdefizit. Dadurch sind betroffene Menschen leicht ablenkbar und besonders empfänglich für starke Stimuli in ihrer Umwelt. Ist eine Aktivität besonders stimulierend, so können sie extra konzentriert und lange bei der Sache bleiben. Das steht im Kontrast zu den häufig als langweilig empfundenen alltäglichen oder beruflichen Aktivitäten. Eine, auf die das ebenfalls zutritt, könnte das Glücksspiel sein.
Besonders stimulierend sind Spielautomaten
Spielautomaten, ob vor Ort im Casino oder online, kommen mit starken visuellen Reizen daher. Beispielsweise verfügen sie oft über die verschiedensten Farben, dem Sichtfeld werden die ganze Zeit über Stimuli geboten. Typisch sind blinkende Lichter und dazu passende, eindringliche Klänge, um auch über die auditive Wahrnehmung zu stimulieren und so besonders gut die Aufmerksamkeit von Spielern und Spielerinnen einfangen zu können. Auch gibt es meistens keine langen Leerlaufphasen im Spiel.
Hyperaktivität und exzessives Spielen hängen zusammen
Neben dem Aufmerksamkeitsdefizit ist auch die Hyperaktivität eines der Hauptmerkmale von Menschen mit ADHS. Im Gegensatz zu Kindern äußert sich diese bei Erwachsenen jedoch nicht mehr in einem kaum zu bändigenden Bewegungsdrang, sondern mit beispielsweise dem exzessiven Ausüben einer Tätigkeit. Durch starke Stimuli ließe sich die innere Unruhe etwas absenken. Eine dieser Beschäftigungen mit starken Stimuli könnte das Glücksspiel sein, wodurch ebenfalls die Suchtgefahr steige.
Problematische Impulskontrolle
Das dritte Hauptmerkmal ist die Impulsivität vieler Betroffener. Die innere Unterstimulierung und die immer präsente Unruhe führten häufig zu irrationalem, unüberlegtem und impulsivem Verhalten. In der Vergangenheit haben diverse Studien bereits bewiesen, dass Glücksspiel ebenfalls das Belohnungszentrum im menschlichen Gehirn stimulieren und somit aktivieren kann. Das führt zu einem Gefühl von Erlösung durch das Spiel, die von negativen Gefühlen kurzfristig befreien kann. Wer Probleme mit der Impulskontrolle hat, ist besonders gefährdet.
Datenbasis muss wachsen
Obwohl schon viele Studien zum Themenverbund Spielsucht und ADHS durchgeführt wurden, muss die Datenbasis noch weiterwachsen. Es gibt keine eindeutigen Zahlen dazu, wie viele Menschen unter den pathologischen Glücksspielern und -spielerinnen auch von ADHS betroffen sind. Doch die jüngste Studie zeigt, dass jemand mit problematischem Spielverhalten und mit ADHS in jüngerem Alter eine Spielsucht entwickelte als ein pathologischer Spielsüchtiger, der nicht von ADHS betroffen ist. Aber es braucht noch weitere Studien.
Psychologin gibt Empfehlung ab
Psychologin Maindardis plädiert einerseits für weitere gezielt passende Studien zu diesem Themenkomplex, andererseits aber auch dafür, in Zukunft generell im Rahmen von Spielsucht-Behandlungen einen Abgleich mit ADHS-Symptomen durchzuführen und gegebenenfalls die richtige Diagnose zu stellen, damit betroffene Menschen auch die Hilfe bekommen, die zu ihnen passt. Für die begleitenden Therapeuten und Therapeutinnen kann dies durchaus relevant sein und die Entscheidungen beeinflussen, die sie im Sinne ihrer Patienten und Patientinnen treffen.
Kann ADHS-Therapie auch Spielsüchtigen helfen?
Für Maindardis ist klar, dass nun erforscht werden sollte, ob eine ADHS-Therapie auch spielsüchtigen Menschen helfen könnte. Ein wichtiger Aspekt darin ist nämlich die Impulskontrolle, und dies könnte auch dann Sinn ergeben, wenn die Betroffenen nicht alle ADHS-Kriterien erfüllen. Da beide Erkrankungen oft gemeinsam auftreten, könnte dies neue Türen für die Therapieplanung zum Thema Spielsucht eröffnen. Angesichts steigender Zahlen bei zunehmend jüngeren Menschen sollte diese Chance keinesfalls ungenutzt verstreichen.
Auch Menschen ohne ADHS könnten profitieren
Da natürlich auch all jene, die nicht unter ADHS leiden, von Stimuli, beispielsweise an Spielautomaten, angesprochen werden, kann der Aspekt der Impulskontrolle auch auf Betroffene ganz ohne ADHS übertragen werden, nur vielleicht in geringerem Ausmaß. Sollte sich dies in folgenden Studien bewahrheiten, wäre es definitiv ein neuer Therapieansatz, der in Zukunft helfen könnte, die größeren Zahlen von Spielsüchtigen zu behandeln. Dieser Ansicht ist jedenfalls Maindardis.
Andere Chancen in der Spielsuchttherapie
Neben den Ansätzen von Maindardis gibt es für Menschen mit und ohne ADHS noch viele weitere Chancen, die bislang wenig erforscht werden. Es gibt zum Beispiel einzelne Studien, die die Rolle von Sport, Körper und Bewegung bei der Spielsuchttherapie hervorheben, was für einen ganzheitlichen Ansatz steht, der bislang wenig zum Tragen kommt. Doch je mehr Spielsüchtige es gibt, desto mehr werden auch solche Ideen irgendwann Einsatz finden.