Nach Wolfsgruß-Eklat: UEFA sperrt Merih Demiral für zwei Spiele – Erdoğan will nach Berlin reisen
Der türkische Abwehrspieler Merih Demiral, 26, soll von der UEFA für zwei Spiele gesperrt werden. Der Auslöser ist der stark diskutierte Wolfsgruß, den er nach dem Sieg der Türkei gegen Österreich gezeigt hatte. Inzwischen hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, 70, angekündigt, zum Spiel der türkischen Nationalmannschaft gegen die Niederlande nach Berlin reisen zu wollen.
Demiral verpasst Viertelfinale und mögliches Halbfinale
Wie die BILD-Zeitung berichtet, habe die UEFA eine Sperre von zwei Spielen für Merih Demiral ausgesprochen. Der türkische Abwehrspieler, der bei Al-Ahli in Saudi-Arabien spielt, würde damit das Viertelfinale der Türkei gegen die Niederlande am kommenden Samstag, den 6. Juli, verpassen. Auch ein mögliches Halbfinale gegen England oder die Schweiz würde demnach ohne Demiral stattfinden.
Eine Sperre des Abwehrchefs würde eine große Schwächung für die türkische Mannschaft darstellen. Im Achtelfinale gegen die Österreicher schoss Demiral beide Tore seiner Mannschaft und entschied somit das Spiel. Auch in den aktuellen Sportwettenquoten der Buchmacher zeigt sich, dass die drohende Sperre Demirals Chancen auf ein Weiterkommen der Türkei schmälert:
- Sieg Niederlande: 1,62
- Unentschieden: 4,10
- Sieg Türkei: 5,30
Eine Bestätigung durch die UEFA steht derzeit noch aus. Berichten zufolge soll am heutigen Freitagmorgen eine Anhörung stattfinden, bei der Demiral sich gegen die Anschuldigungen verteidigen kann. Es scheint jedoch unwahrscheinlich, dass Demiral und die UEFA sich einigen werden.
Nach der Partie kommentierte Demiral seinen Jubel und das Zeigen des Wolfsgrußes gegenüber der BILD-Zeitung mit folgenden Worten:
Wie ich gefeiert habe, hat etwas mit meiner türkischen Identität zu tun. Ich habe Leute im Stadion gesehen, die auch diese Geste gemacht haben.– Merih Demiral, Abwehrspieler, Türkei, Bild
Was bedeutet der umstrittene Wolfsgruß?
Der von Demiral gezeigte Wolfsgruß ist seit Tagen in aller Munde. Nach dem Sieg der Türkei gegen Österreich zeigte Demiral den Gruß in Richtung der türkischen Fans. Doch was bedeutet der Wolfsgruß eigentlich?
Die Geste ist ein Symbol der Ülkücü-Bewegung. Diese wird in Deutschland seit geraumer Zeit vom Verfassungsschutz beobachtet. Die Bewegung habe hierzulande mehr als 12.000 Anhänger und sei damit eine der größten rechtsextremen Gruppen Deutschlands. In anderen Ländern, wie Frankreich oder Österreich, sind sowohl der Wolfsgruß als auch die Ülkücü-Bewegung verboten.
Die Ülkücü-Bewegung wird in der Türkei von der ultranationalistischen MHP vertreten. Diese Partei ist der Bündnispartner von Erdoğans islamisch-konservativen AKP.
Erdoğan kündigt Reise nach Berlin an
Die Diskussion rund um den Wolfsgruß schlägt inzwischen auch politische Wellen. In der Türkei herrscht wenig Verständnis für die Empörung der UEFA und der deutschen Politik: Der Wolfsgruß sei laut dem türkischen Außenministerium ein historisches und kulturelles Symbol beim Feiern von Sportereignissen. Die Entscheidung der UEFA wird in der Türkei stark kritisiert und als voreingenommen betrachtet.
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser, 53, kritisierte Demirals Gruß in den sozialen Medien scharf:
Die Symbole türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen. Die Fußball-Europameisterschaft als Plattform für Rassismus zu nutzen, ist völlig inakzeptabel. Wir erwarten, dass die UEFA den Fall untersucht und Sanktionen prüft.https://t.co/65yoSUAAQJ
— Nancy Faeser (@NancyFaeser) July 3, 2024
Das türkische Außenministerium warf ihr daraufhin Fremdenfeindlichkeit vor. Inzwischen hat sich auch der türkische Präsident Erdoğan eingeschaltet. Er habe eine geplante Reise nach Aserbaidschan abgesagt und werde stattdessen nach Berlin reisen. Dort werde er das Viertelfinale der türkischen Nationalmannschaft gegen die Niederlande verfolgen und seinem Team den Rücken stärken.
Besondere Bedeutung Berlins für die türkische Gemeinde in Deutschland
Dass der türkische Präsident seine geplante Auslandsreise nach Aserbaidschan absagt und nach Berlin reist, hat eine starke Wirkung auf die türkische Gemeinde in Deutschland – insbesondere für Berlin.
In Deutschland leben rund 2,9 Menschen mit türkischem Migrationshintergrund. Etwa 1,5 Millionen davon haben die türkische Staatsangehörigkeit.
Studien zeigen, dass in Berlin mehr als 116.500 Personen mit türkischer Staatsangehörigkeit leben. Insgesamt sollen rund 200.000 Menschen in der Hauptstadt einen türkischen Migrationshintergrund haben. Damit sind sie die größte Zuwanderergruppe der Stadtund machen 6 Prozent der gesamten Bevölkerung der Metropole aus. In keiner anderen Stadt außerhalb der Türkei leben mehr türkeistämmige Menschen als in Berlin.
Dass Präsident Erdoğan zu dem Spiel in Berlin reist, könnte von der türkischen Gemeinde als starke Geste der Unterstützung aufgefasst werden.
UEFA bleibt ihrer Linie treu und verbietet politische Botschaften
Die UEFA hat eine klare Linie gegenüber politischen Botschaften: Diese sind sowohl auf dem Rasen als auch auf der Tribüne verboten. Verstöße werden mit Sperren und/oder Geldstrafen geahndet.
So erging es auch dem albanischen Stürmer Mirlind Daku, 26. Nach dem Spiel der albanischen Nationalmannschaft gegen Kroatien hatte Daku mit einem Megafon nationalistische Gesänge angestimmt. Er wurde daraufhin für zwei Spiele gesperrt. Dem albanischen Verband wurde darüber hinaus eine Strafe von 25.000 Euro auferlegt.
Obwohl eine offizielle Bestätigung noch aussteht, gilt es als wahrscheinlich, dass auch Demiral mit einer Sperre und der türkische Verband mit einer Geldstrafe zu rechnen hat.