Vetternwirtschaft: Lotto Sachsen-Anhalt unter Verdacht
Um zu überprüfen, ob die Lotto Toto GmbH in Sachsen-Anhalt Vetternwirtschaft betrieben hat, will der örtliche Landtag einen Untersuchungsausschuss etablieren, der die Vergabe von Finanzmitteln bei der Lotteriegesellschaft genauer unter die Lupe nehmen soll. Eine Strafanzeige gegen die Geschäftsführerin Maren Sieb wurde Mitte Juni durch die Landtagsfraktion der rechtspopulistischen AfD (Alternative für Deutschland) gestellt. Die Lotto-Chefin weist die Vorwürfe nach wie vor vehement zurück. Hier ein Überblick zur Entwicklung.
Druck von Seiten der AfD
Die von der AfD im Juni getätigten Vorwürfe der Vetternwirtschaft gegen die Lotto Toto GmbH des Bundeslands Sachsen-Anhalt sollen genauer untersucht werden. Zu diesem Zweck plant der in Magdeburg ansässige Landtag die Einberufung eines Untersuchungsausschusses, der insbesondere die geschäftlichen Aktivitäten der Lotto-Chefin Maren Sieb zwischen 2012 und 2018 beleuchten soll.
Laut dem ehemaligen AfD-Fraktionsvorsitzenden André Poggenburg und dem Landtagsabgeordneten Jan Wenzel Schmidt soll die Geschäftsführerin innerhalb dieses Zeitraums mehrfach Lotto-Fördermittel gegen Werbeaufträge bereitgestellt haben. Die AfD sprach an dieser Stelle unter anderem von „Unstimmigkeiten und widerrechtlicher Bevorzugung“. Aufgrund eines Minderheitenrechts der AfD hatte das Verwaltungsgericht Magdeburg dem Strafantrag stattgegeben.
Vor allem Schmidt hatte den Strafantrag maßgeblich mitvorangetrieben. Der Politiker sitzt zurzeit im Lotto-Beirat und musste sich diesbezüglich am Mittwoch (28.08.) abermals einer kritischen Befragung durch den Landtag Sachsen-Anhalt unterziehen. Skurril erscheint, dass Schmidt sich selbst erst kürzlich um die Führungsposition bei der Lottogesellschaft beworben hatte, jedoch abgelehnt wurde. Grund für die Bewerbung könnten die hohen Verdienstmöglichkeiten sein. Als Geschäftsführer hätte Schmidt ein sechsstelliges Jahreseinkommen zu erwarten.
Alle benannten Aspekte sollen künftig näher durch den Untersuchungsausschuss beleuchtet werden. Dieser soll zwölfköpfig sein und unter der Leitung der SPD stehen. Zum Vorsitzenden wird an dieser Stelle der Abgeordnete Andreas Steppuhn ernannt, der bereits im Vorfeld eine ebenso „zügige wie sorgsame Arbeit“ versprach.
In diesem Sinne plane man nicht nur die Verteilung der Gelder zu überprüfen, sondern auch die Besetzung von Lotto-Arbeitsplätzen. Wie es vonseiten des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) heißt, seien mindestens drei Mitarbeiterinnen der Lotteriegesellschaft früher beim Radiosender SAW angestellt gewesen, dort war auch Maren Sieb über einen längeren Zeitraum tätig.
Kritik zu dem Vorhaben kommt dennoch vonseiten der CDU, Grünen, Linken und auch aus der SPD, alle Parteien hatten sich bei der Abstimmung zum Untersuchungsausschuss enthalten, stellten das Minderheitenvotum der AfD jedoch nicht infrage. Den Fraktionen zufolge sei ein Ausschuss nicht das richtige Werkzeug zur Klärung der Sachverhalte. Die Sprecher verweisen darauf, dass der Fall zurzeit bereits durch den Landesrechnungshof und die Staatsanwaltschaft geprüft wird. Entsprechende Berichte sollen bereits im September erscheinen.
Lotto-Chefin am Pranger
Die Vorwürfe der AfD gegen Sieb sind schwerwiegend – über mehrere Jahre hinweg soll die Lotto-Chefin Finanzmittel für Vereine und gemeinnützige Organisationen bereitgestellt haben, im Umkehrschluss sollen die Institutionen Aufträge an die Werbeagentur „ISA i motion“ erteilt haben. Konkret geht es hierbei um Werbemittel wie Broschüren, Flyer und Bilder. Brisant ist allerdings die Tatsache, dass die Agentur von Sieb selbst gegründet wurde und seit 2012 von ihrem Lebensgefährten betrieben wird.
Die Anzeige der AfD erfolgte bei der Staatsanwaltschaft Magdeburg. Vonseiten der rechtspopulistischen Partei wurde eine „umfassende Überprüfung der Fördermittelvergabe“ gefordert, um die vermeintlich „dubiosen Verbindungen“ zwischen Sieb, Lotto Toto und der Werbeagentur ISA i motion aufzuklären. Der aktuelle AfD-Landtagsvorsitzende Robert Farle sprach folglich von „Anhaltspunkten für ein möglicherweise strafbares Dreiecksgeschäft“, Tatbestände wie Betrug, Untreue und Korruption seien denkbar, so die Verdächtigungen.
Sieb weist Vorwürfe zurück
Von Beginn an wies Maren Sieb die Anschuldigungen der AfD vehement zurück – die Rede war von „schlichtem Unsinn“, man plane eine Gegenanzeige aufgrund von Verleumdung und übler Nachrede. Zudem verwies die Lotto-Chefin darauf, dass ihr Einfluss bei den Spendenvergaben stark begrenzt ist. Sämtliche Lotto-Fördermittel müssen demnach durch ein politisches Votum genehmigt werden. Bei Spenden über 15.000 Euro sei zudem das Einverständnis eines 14-köpfigen Beirats einzuholen.
Auch was den Zusammenhang mit der besagten Werbeagentur angeht, erklärte Sieb unlängst, dass alle damit verbundenen Organisationen bereits Kunden waren, als sie selbst noch Inhaberin des Unternehmens war. ISA i motion war demnach schon immer auf die Unterstützung von Öffentlichkeitsarbeit spezialisiert. Die Vorwürfe der Veruntreuung seien damit unfundiert. Man habe keinen Anlass gesehen die Geschäftsphilosophie von ISA i motion zu ändern, nur aufgrund ihres Wechsels zu Lotto Toto.
Jüngst wurden Siebs Aussagen auch durch den Verkehrsminister und Lotto-Aufsichtsratsvorsitzenden Thomas Webel (CDU) unterstützt – Sieb habe alle Sachverhalte plausibel und transparent erklärt, so das Kredo.
Namhafte Organisationen betroffen
Von den Anschuldigungen betroffen sind im Übrigen eine ganze Reihe namhafter Vereine, Initiativen und Wohlfahrtsorganisationen, die mit der Werbeagentur ISA i motion in Verbindung stehen, darunter zum Beispiel das Deutsche Rote Kreuz, der Paritätische Wohlfahrtsverband, die Stendaler Tafel oder die Hilfsorganisation Volkssolidarität. Laut AfD ließen sich bei allen genannten Organisationen auch private Verbindungen zur Lotto-Chefin Maren Sieb nachweisen. Die Beziehungen der Geschäftsführerin hätten demnach ein „gewisses Geschmäckle“ an sich und deuten auf „fragwürdige Verstrickungen zwischen Politik, Vereinen und bestimmten Günstlingen hin.“
Zum Verständnis: Lotto Toto nimmt im rund 2,21 Mio. Einwohner zählenden Bundesland Sachsen-Anhalt pro Jahr etwa 200 Mio. Euro ein. Es ist kein Geheimnis, dass ein großer Teil der Einnahmen für den guten Zweck eingesetzt wird. In Sachsen-Anhalt werden in diesem Kontext jährlich rund 6 Mio. Euro abgeführt. Die Ergebnisse des Ausschuss bezüglich der genauen Verteilung bleiben vorerst abzuwarten.