Neue Studie: Experten stufen Glücksspielsucht als äußerst gefährliche Verhaltensstörung ein

Eine von der Fachzeitschrift The Lancet veröffentlichte, an verschiedenen Universitäten durchgeführte Studie geht davon aus, dass Glücksspielsucht noch viel schädlicher sein könnte als bislang angenommen. Rund 450 Millionen Menschen weltweit könnten betroffen sein.

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Glücksspielsucht kann schwerwiegende Folgen haben. © Darya Sannikova/Pexels

Schäden durch Glücksspiel könnten noch schwerwiegender sein als angenommen

Laut der Fachzeitschrift The Lancet [Link auf Englisch] könnte Glücksspielsucht noch deutlich größere Schäden bei Betroffenen verursachen als bisher angenommen. Eine Expertenkommission aus den Bereichen Gesundheit, Glücksspielforschung, Regulierung und Risikokontrolle hat für die Publikation einen Bericht [Link auf Englisch] mit den potenziellen Gefahren des Glücksspiels veröffentlicht. Laut der Experten solle dadurch auf eine vernachlässigte, unzureichend erforschte und wachsende Bedrohung der öffentlichen Gesundheit hingewiesen werden.

Laut Aussagen der Experten sei Glücksspiel keine einfache Freizeitaktivität, sondern ein gesundheitsschädigendes und süchtig machendes Verhalten, das nicht nur die Gesundheit und das Wohlbefinden des Einzelnen, sondern auch dessen Wohlstand und Beziehungen beeinträchtigen könne. Familien und Gemeinschaften der Spielsüchtigen seien ebenfalls betroffen, oft mit lebenslangen Folgen. Gesundheitliche sowie gesellschaftliche Ungleichheiten würden durch die Glücksspielsucht noch weiter vertieft. Im schlimmsten Fall könne die Glücksspielsucht Betroffene in den finanziellen Ruin oder sogar in den Suizid treiben.

Jeder, der ein Mobiltelefon besitzt, hat heute 24 Stunden am Tag Zugang zu einem Casino in seiner Tasche.”Heather Wardle, Co-Vorsitzende der Kommission von der University of Glasgow Zeit Online

Dabei sei die Glücksspielsucht kein Randphänomen. Die Kommission schätzt, dass weltweit 46,2 % der Erwachsenen und 17,9 % der Jugendlichen im letzten Jahr zumindest an Glücksspielen teilgenommen hätten. Etwa 450 Millionen Menschen seien direkt negativ von mindestens einem Verhaltenssymptom betroffen. Bei schätzungsweise 80 Millionen Menschen sei eine Glücksspielstörung wahrscheinlich.

Verhaltenssymptome der Glücksspielsucht

Glücksspielsucht wird von Experten als schwerwiegende Verhaltensstörung klassifiziert, die oft mit schleichenden Symptomen beginne und sich über die Zeit intensiviere. Betroffene würden zunehmend riskantes und selbstschädigendes Verhalten zeigen, das ihre sozialen Beziehungen, ihre finanzielle Lage und ihre geistige Gesundheit beeinträchtigen könne. Experten sehen die folgenden Verhaltensweisen als typische Anzeichen, die auf eine Glücksspielabhängigkeit hindeuten:

  • Zunehmender Zeitaufwand: Betroffene würden immer mehr Zeit ins Glücksspiel investieren , was oft zu Vernachlässigung von Familie, Freunden und beruflichen Verpflichtungen führe.
  • Steigende Einsätze: Um das anfängliche Hochden anfänglichen Kick auch auf Dauer zu erreichen, würden sie höhere Beträge setzen und risikoreicher spielen.
  • Chasing Losses: Der Drang, Verluste durch weiteres Spielen wieder wettzumachen, verstärke den Kreislauf der Abhängigkeit.
  • Geheimhaltung und Täuschung: Betroffene würden heimlich spielen, über die Häufigkeit und Höhe ihrer Einsätze lügen und das wahre Ausmaß vor nahestehenden Personen verbergen .
  • Finanzielle Probleme: Häufige Konsequenzen seien leere Konten, Verschuldung, Verkauf von Eigentum oder die Aufnahme von Krediten, um weiterspielen zu können.
  • Soziale Isolation: Glücksspieler zögen sich häufig aus ihrem sozialen Umfeld zurück, um sich auf das Spielen zu konzentrieren und ihr Verhalten zu verbergen.
  • Reizbarkeit und Unruhe: Der Versuch, mit dem Spielen aufzuhören, führe oft zu Unruhe, Gereiztheit und starkem inneren Druck.

Diese Symptome würden sich laut zahlreicher Experten schleichend entwickeln und das Leben der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Die frühzeitige Erkennung und Behandlung der Anzeichen seien entscheidend, um den Weg aus der Abhängigkeit zu erleichtern und das persönliche Wohlbefinden wiederherzustellen.

Betroffen seien laut der Studie vor allem Menschen aus sozial schwachen Strukturen. Wegen der zunehmenden Einbindung von Glücksspielen in Videospielen wie FIFA, oft in Form von sogenannten Lootboxen, seien zudem immer mehr Kinder und Jugendliche betroffen.

Weitere Ausbreitung wahrscheinlich

Die Zahl der Glücksspielsüchtigen sei laut der Studie bislang vermutlich nicht an ihrem Hochpunkt angekommen. Innovative Marketingstrategien und Sponsoring würden das Glücksspiel noch attraktiver und zugänglicher machen, auch wenn staatliche und nicht-staatliche Akteure versuchen würden, dem entgegenzuwirken. In einer digitalisierten, global vernetzten Welt, in der jeder über sein Mobiltelefon jederzeit und überall Zugang zu Casinos habe, stelle dies eine zunehmende Bedrohung der öffentlichen Gesundheit dar, auch weil die Anstrengungen im Kampf gegen das Glücksspiel nicht ausreichend seien.

[Die Regierungen] haben sich auf zu vereinfachte Ansätze verlassen und auf die individuelle Verantwortung und die Gefahren für Einzelpersonen mit hohem Risiko verwiesen. Es ist nun von entscheidender Bedeutung, ein Gleichgewicht zwischen der öffentlichen Gesundheit und konkurrierenden wirtschaftlichen Interessen herzustellen. Die Kommission fordert Regierungen und politische Entscheidungsträger auf, das Glücksspiel als ein Problem der öffentlichen Gesundheit zu behandeln – genauso wie andere süchtig machende und ungesunde Güter wie Alkohol und Tabak.”The Lancet, The Lancet

Im selben Zuge verwies die Expertenkommission auf einen Interessenkonflikt innerhalb der Legislative, die vom Glücksspiel durch Steuereinnahmen erheblich profitiere. Robustere Regulierungsmechanismen seien notwendig, um die Ausbreitung der Glücksspielsucht einzudämmen.

Glücksspielsucht international auf dem Vormarsch

Laut des Glücksspielatlas 2023 [Link auf Englisch] nahmen 2021 rund 30 % der Deutschen im Alter zwischen 16 und 70 Jahren an Glücksspielen teil. Etwa 2,3 % der deutschen Bevölkerung im Alter zwischen 18 und 70 Jahren sei von einer Glücksspielstörung betroffen. Dies entspricht rund 1,3 Millionen Menschen. Zusätzlich würden etwa 5,7 % der Bevölkerung zumindest ein riskantes Glücksspielverhalten zeigen.

Dass das Glücksspiel, insbesondere wenn illegal, kaum einzuschränken ist, äußert sich auf vielfältige Weisen. Zwar würden illegale Online-Casinos immer wieder gesperrt, dennoch würden sie oft schon kurze Zeit später fast unverändert wieder auftauchen. In vielen Ländern dauere die Schließung einer unerlaubten Plattform sogar länger als die Wiedereröffnung.

Auch in Deutschland ist illegales Glücksspiel verbreitet. Der Bayerische Automaten-Verband warnte etwa kürzlich vor der weiteren Ausbreitung des illegalen Glücksspiels und prangerte eine systematische Benachteiligung von legalen Anbietern an.

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