Glücksspielforscher Dr. Tobias Hayer spricht im NDR Sportclub über Sportwetten-Sucht, Stigmatisierung und Einzahlungslimits
Der Glücksspielforscher Dr. Tobias Hayer von der Universität Bremen hat in der TV-Sendung NDR Sportclub über das Suchtpotenzial von Sportwetten gesprochen. Im Rahmen der Sendung wurde auch das Schicksal von Marco Schmidt unter die Lupe genommen, der eine Viertelmillion Euro mit Sportwetten verspielt haben soll und jetzt Aufklärungsarbeit leistet.
Spielsucht betrifft geringen Anteil der Spieler
Im Gespräch stellt Hayer klar, dass der Großteil der Menschen kein problematisches Spielverhalten zeige, ohne auf konkrete Zahlen zu verweisen.
Allerdings sei der kleine Anteil an spielsüchtigen Personen stark gefährdet, was auch dadurch begünstigt werde, dass Spielsucht in der Gesellschaft stigmatisiert werde. Anders als bei Alkohol- oder Drogenkonsum würden viele Leute auch gar nicht wahrnehmen, dass ein Mensch in ihrem Umfeld an einer Spielsucht erkrankt sei.
In vielen Fällen würde der Rat der Freunde und Angehörigen lauten, dass die spielsüchtige Person “einfach aufhören” solle. Die Gesellschaft würde laut Meinung von Hayer missverstehen, dass es sich bei einer Glücksspielsucht um ein ernstzunehmendes psychologisches Problem handle.
Auch die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) scheint diese Problematik erkannt zu haben, weil sie sich selbst das Ziel gesetzt habe, enger mit Glücksspielsucht-Organisationen zusammenzuarbeiten.
Das Schicksal von Marco Schmidt
Im Rahmen des Beitrags wurde auch die Spielsucht von Marco Schmidt (35) thematisiert, der eigenen Angaben zufolge rund 250.000 Euro bei Sportwetten verloren haben soll. Mit der Zeit habe er immer mehr Tipps auf Spiele platziert, bei denen er die Teams überhaupt nicht gekannt habe. Zudem sei er kriminell geworden, um seine Spielsucht zu finanzieren.
Erstaunlicherweise scheint Schmidt keinen Groll gegen die Sportwetten-Anbieter zu hegen, sondern sehe das Problem in sich selbst:
Ich gebe mir die Schuld und nicht Tipico oder irgendeinem anderen Sportwettenanbieter, aber ich möchte möglichst viele Menschen auf diese Geschichte aufmerksam machen und sensibilisieren. – Marco Schmidt, ehemaliger Spielsüchtiger, Quelle: NDR
Anders als manche Glücksspiel-Experten, die beispielsweise ein Verbot der Sportwetten-Werbung fordern, scheint Schmidt den richtigen Weg darin zu sehen, die Spieler besser aufzuklären. Dafür hat er den Verein Sport statt Straße e.V. gegründet.
“Haben Sie ein Hobby, das 1.000 Euro im Monat kostet?”
Im Laufe des Gesprächs wurde noch kurz auf mögliche Gegenmaßnahmen regulatorischer Art eingegangen. Die Moderatorin stellte die Frage, ob die Glücksspielregulierung in Deutschland dabei helfe, das finanzielle Risiko für Spielsuchtkranke einzudämmen.
Nach Auffassung von Hayer sei das Einzahlungslimit von 1.000 Euro pro Monat, das vom Glücksspielstaatsvertrag vorgeschrieben werde, ein erster Schritt in die richtige Richtung. Allerdings erklärte er, dass Spieler trotz des Limits die Möglichkeit hätten, hohe Geldbeträge im Monat zu verspielen.
Um diese Zahl besser einordnen zu können, fragte er die Moderatorin, ob sie denn ein Hobby hätte, das 1.000 Euro im Monat koste und auch noch mit Suchtrisiken verbunden sei. Die Moderatorin verneinte erwartungsgemäß.
Damit endete das Interview. Konkrete Ideen und Verbesserungsvorschläge, wie Spielsüchtigen besser geholfen werden könnte und welche regulatorischen Eingriffe sinnvoll wären, wurden nicht weiter thematisiert.