Studie der Spielerschutz-Organsiation GambleAware: Menschen mit Autismus und ADHS sind anfälliger für Glücksspielsucht
- Laut einer Studie von GambleAware sollen neurodivergente Menschen anfälliger für Glücksspielsucht sein
- Betroffene spielen nicht häufiger, aber anders als neurologisch unauffällige Personen
- Bislang gibt es zu wenig Hilfsangebote, die auf neurodivergente Menschen zugeschnitten sind

Neurodivergente Menschen könnten Glücksspiele anders wahrnehmen und eher eine Spielsucht entwickeln (Symbolbild). © Joakim Honkasalo/unsplash.com
Hohes Spielsuchtrisiko für neurodivergente Menschen
Eine aktuelle Studie der britischen Spielerschutz-Organisation GambleAware [Studie auf Englisch], die in Kooperation mit IFF Research und der University of Bristol durchgeführt wurde, soll einen Zusammenhang zwischen Neurodivergenz und der Anfälligkeit für Glücksspielschäden belegen [Artikel auf Englisch], wie das Fachmagazin iGaming Business berichtet.
Laut den Studienergebnissen seien Menschen mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Autismus-Spektrum-Störung (ASS) und vergleichbaren neurologischen Besonderheiten doppelt so häufig von problematischem Spielverhalten betroffen wie Spieler ohne neurologische Auffälligkeiten.
Die Forscher hätten betont, dass diese gesteigerte Gefährdung nicht auf eine höhere Spielhäufigkeit zurückzuführen sei. Vielmehr würden sich Unterschiede darin zeigen, aus welchen Gründen und wie diese Personen spielen würden.
Glücksspiele als Stimulus für Betroffene
Die Ergebnisse der Studie würden nahelegen, dass Glücksspiele bei neurodivergenten Menschen ein Bedürfnis nach klaren Strukturen, vorhersehbaren Abläufen oder einem reizarmen sozialen Umfeld befriedigen könnten.
Ein weiterer Aspekt sei die sensorische Wirkung bestimmter Spielangebote. Spiele wie virtuelle Slots würden durch ihre repetitive Struktur und konstante Belohnungen eine Atmosphäre schaffen, die gerade für Menschen mit ADHS besonders anziehend sein könne.
Das Glücksspiel werde bei Betroffenen zu einem Mittel der Stimulation, das zumindest kurzfristig Aufmerksamkeits- oder Aktivitätsmuster reguliere. Die Forscher sähen im Glücksspiel zudem einen “Bewältigungsmechanismus” für neurodivergente Menschen.
Was ist Neurodivergenz?
Unter dem Begriff Neurodivergenz versteht man neurologische Entwicklungsvarianten, die vom kognitiven und verhaltensbezogenen Durchschnitt abweichen. Dazu zählen neben ADHS und ASS auch das Tourette-Syndrom oder Dyslexie (Leseschwierigkeit). Diese neurologischen Muster gelten nicht als Krankheiten, sondern als alternative Formen der Wahrnehmung, Informationsverarbeitung und Reaktion auf Umweltreize.
Neurodivergente Personen haben im Alltag oft Schwierigkeiten mit der Reizverarbeitung, sozialer Kommunikation, Impulskontrolle oder der Bewältigung komplexer Aufgaben. In starren Systemen wie Schulen, Arbeitsplätzen oder Verwaltung geraten sie schnell an Grenzen, die für nicht, neurodivergente Menschen kaum wahrnehmbar sind.
Ein zentrales Problem besteht darin, dass neurodivergente Merkmale häufig spät oder gar nicht erkannt werden. Besonders bei Erwachsenen und besonders bei Frauen bleiben Diagnosen lange aus, da klassische Symptom-Checklisten oft männlich geprägt und auf auffälliges Verhalten fokussiert sind. Standardisierte Behandlungsansätze, etwa in der Suchtprävention, berücksichtigen neurodivergente Bedürfnisse bislang kaum.
GambleAware möchte Maßnahmen mitentwickeln
Ein zentrales Ergebnis der Studie ist die klare Forderung nach einer stärkeren Differenzierung in der Glücksspielprävention und -behandlung. Nach Meinung der Forscher müsse die Unterstützung besser an individuelle neurologische Voraussetzungen angepasst werden.
Obwohl unter anderem der Zusammenhang zwischen Spielsucht und ADHS seit Jahren erforscht werde, gebe es noch immer zu wenig speziell darauf abgestimmte Angebote für betroffene Spieler.
In Zukunft plane GambleAware daher, spezialisierte Maßnahmen zu entwickeln. Dabei sei es nach Auffassung der Organisation besonders wichtig, dass viele der Hilfsangebote bereits präventiv eingesetzt werden sollten, da sich gezeigt habe, dass neurodivergente Menschen seltener an einer Suchtberatung nach Entwicklung eines problematischen Spielverhaltens teilnähmen. Nach Meinung von GambleAware gebe es allgemein zu wenig Warnhinweise bei der Glücksspielwerbung.