BGH-Verhandlung zu Sportwetten-Verlusten vom 27. Juni 2024: Tipico steht unter Druck, feiert aber einen Teilerfolg!
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 27. Juni 2024 zum ersten Mal eine Verhandlung in Bezug auf die Legalität von Sportwetten vor Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages geführt. Nachdem sämtliche Verhandlungen zuvor stets abgesagt wurden, entschied der BGH im Fall des Buchmachers Tipico vorläufig darauf, dass dieser einen Spieler entschädigen müsse, der Verluste in einem Zeitraum erlitten habe, als Tipico nicht in Deutschland lizenziert war.
Kläger scheiterte in erster Instanz
Wie der Spiegel berichtet, habe der Kläger im Zeitraum von 2013 bis 2018 Sportwetten bei Tipico abgegeben und insgesamt über 3.700 Euro verloren. Aufgrund der Tatsache, dass Tipico in diesem Zeitraum zwar bereits eine deutsche Konzession beantragt hatte, diese aber erst 2020 erhielt, halte er die Vertragsbeziehungen mit dem Sportwetten-Anbieter für nichtig und poche auf die Rückzahlung seines verlorenen Geldes.
In erster Instanz habe der Kläger jedoch kein Recht bekommen. Das Landgericht Ulm habe sich nicht von den Argumenten überzeugen lassen und sei zu dem Urteil gelangt, dass Tipico keine Verpflichtung zur Erstattung der Verluste habe. Zwar habe es Verstöße gegen den damals geltenden Glücksspielstaatsvertrag gegeben, dies ändere aber nichts an der Rechtmäßigkeit der Vertragsbeziehungen mit den Kunden.
BGH argumentiert anders als das Landgericht Ulm
Bereits Anfang April habe sich abgezeichnet, dass der BGH dies anders sehen könnte. In einem 25-seitigen Hinweisbeschluss habe der BGH eine verbraucherfreundliche Position eingenommen. Die Verfahren gegen Tipico und den EM-Sponsor Betano, der sich außergerichtlich mit dem Kläger geeinigt hatte, seien letztlich nie vor dem BGH gelandet.
Nach der ersten Verhandlung habe der BGH bekräftigt, dass er den Kläger im Recht sehe und habe klargestellt, dass Verträge zwischen Spielern und Buchmachern ohne Konzession als nichtig anzusehen seien.
Richter Thomas Koch habe jedoch bereits eingeräumt, dass manche Fragestellungen eine Vorlage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nötig machen könnten. Im Rahmen der Verhandlung seien neue Aspekte aufgekommen, die zuvor nicht rechtlich gewürdigt worden seien.
Tipico-Anwalt nach Verhandlung zufrieden
Obwohl die Argumentation des BGH dem Kläger vorläufig Recht gebe, sei Tipico-Anwalt Ronald Reichert nach der Verhandlung zufrieden gewesen. Dies sei darauf zurückzuführen, dass eine EuGH-Vorlage aktiv thematisiert worden sei:
Ich habe den Eindruck, dass der Senat ernsthaft erwägt, dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, und das war dasjenige, was wir für unbedingt erforderlich gehalten haben. – Ronald Reichert, Anwalt von Tipico, Quelle: Spiegel
Vor dem EuGH scheint Tipico seine Chancen als höher einzuschätzen. Auch ein Münchner Anwalt habe sich dafür ausgesprochen, den EuGH einzuschalten, da die Landgerichte aus ihm unerklärlichen Gründen bisher stets versucht hätten, das europäische Recht nicht mit einzubeziehen.
Warum will Tipico eine EuGH-Entscheidung?
Nach Auffassung von Tipico habe der Buchmacher nur deshalb keine Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten im genannten Zeitraum vorweisen können, weil diese ihm zu Unrecht vorenthalten worden sei. Tipico argumentiert hierbei mit dem EU-Recht.
Auch Anwalt Christian Rohnke habe diese Sichtweise von Tipico in der BGH-Verhandlung unterstützt. Er habe die Frage gestellt, ob man einen Anbieter dafür bestrafen könne, dass er aus unionsrechtswidrigen Gründen keine Lizenz habe erhalten können.
Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen
Obwohl nach der gestrigen Verhandlung bereits Berichte im Internet darüber kursieren, dass ein Urteil gegen Tipico gefallen sei, entspricht dies nicht der Faktenlage zum aktuellen Stand.
Laut offizieller Ankündigung durch den BGH werde das Urteil am 25. Juli 2024 verkündet werden. Es scheint aber denkbar, dass der BGH aufgrund der vorgelegten Argumente zu einer Entscheidung zugunsten des Klägers tendiert.
Dennoch ist die endgültige Entscheidung, die einen Präzedenzfall für Tausende ähnlich gelagerter Verfahren schaffen würde, noch nicht gefallen. Ob der EuGH tatsächlich in seiner Rechtsauffassung deutlich von dem abweichen wird, was der BGH bisher dargestellt hat, wird sich aber erst zeigen, wenn es zu einer Verhandlung kommt.