Anwaltskanzlei wirft Tipico Verzögerungstaktik vor: Haltloser Vorwurf oder berechtigter Einwand?
Der medial intensiv diskutierte Gerichtsprozess zwischen dem Sportwetten-Anbieter Tipico und dem Unternehmen Gamesright befindet sich derzeit in der Schwebe. Trotz der offenen Ausgangslage wagt ein Anwalt der Kanzlei Goldenstein eine erstaunliche Prognose und kritisiert die gesamte Glücksspiel-Branche.
Berliner Kanzlei sieht Tipico als Verlierer
In einem aktuellen Artikel in der Frankfurter Rundschau kommt der Jurist Claus Goldenstein zu Wort, der davon auszugehen scheint, dass Tipico im laufenden Rechtsstreit um die Rückzahlung von Sportwetten-Einsätzen verlieren werde:
Tipico spielt auf Zeit und möchte, dass ein Grundsatzurteil so lange wie möglich verhindert wird, damit möglichst viele betroffene Glücksspieler ihre Klagen hinauszögern und bestehende Ansprüche verjähren. […] Tipico ist klar, dass sie nicht gewinnen. – Claus Goldenstein, Rechtsanwalt der Kanzlei Goldenstein, Quelle: Frankfurter Rundschau
Ein Vergleich habe der Anwalt zum deutschen Autobauer VW gezogen, der im Abgasskandal 2015 darauf gesetzt hätte, dass die geschädigten Personen nicht klagen und ihre Ansprüche damit verjähren würden.
Tipico und Gamesright zeigen sich siegessicher
Bei der gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Tipico und Gamesright GmbH, die einen Kläger vertrete, der bei Tipico 3.719,26 € verspielt habe, geht es um einen vergleichsweise geringen Geldbetrag.
Spannend für die Branche ist das Gerichtsurteil aber dennoch, weil die Entscheidung als Orientierung für Gerichte unterer Distanzen dienen könnte, die in ähnlich gelagerten Fällen zukünftig Entscheidungen treffen müssen.
Nachdem der Fall vor dem Bundesgerichtshof (BGH) nicht abschließend geklärt werden konnte, muss jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) Stellung beziehen. Dies habe sowohl Tipico als auch Gamesright zu siegessicheren Statements veranlasst.
Was muss der EuGH konkret entscheiden?
Der BGH hat bereits im April 2024 einen 25-seitigen Hinweisbeschluss veröffentlicht, aus dem hervorgeht, dass er als das höchste deutsche Gericht die Sportwetten-Anbieter in der Pflicht sehe, die im nicht regulierten Zeitraum erzielten Gewinne (d.h. die Verluste der Spieler) zu erstatten.
Die Sportwetten-Anbieter berufen sich ihrerseits auf die Dienstleistungsfreiheit innerhalb der EU und werfen dem deutschen Staat vor, trotz intensiver Bemühungen im fraglichen Zeitraum keine Lizenz zum Angebot von Glücksspielen im Internet erhalten zu haben. Dies hätte nach Meinung der Buchmacher gegen das Unionsrecht verstoßen.
Die Sportwetten-Anbieter scheinen optimistisch zu sein, da der EuGH im Jahr 2016 bereits ein Grundsatzurteil gefällt hatte. Damals wurde das strafrechtliche Vorgehen gegen die ausländischen Buchmacher bereits mit der gleichen Begründung, also des unionsrechtswidrigen Vorenthaltens der Glücksspiellizenz, eingestellt.
Schlagen die Buchmacher zurück?
Sollte der EuGH zugunsten von Tipico & Co entscheiden, könnten diese sogar zum Gegenschlag ausholen. In Österreich hat der Glücksspiel-Anbieter Bet365 eine Spielerin auf Rückzahlung ihrer Gewinne verklagt. Letztendlich sei es zu einer Aufrechnung der Gewinne und Verluste gekommen, sodass die Frau lediglich 626,60 Euro habe erstatten müssen.
Unabhängig von der Entscheidung des EuGH wäre es also denkbar, dass die verklagten Buchmacher in Deutschland diese Praxis kopieren und ihrerseits Klagen gegen erfolgreiche Spieler anstreben könnten.